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Georg Wunderer 1949 - 2018. Ein Nachruf

08.06.2018
Ich habe einen guten Freund verloren. Vor 23 Jahren lernte ich Georg Wunderer kennen. 1999 haben wir dann gemeinsam mit anderen ein Konzept für die Neuordnung des Südtiroler Energiemarkts erarbeitet. Schon damals hat mich seine Zuvorkommenheit, seine Aufrichtigkeit und die hohe Wertschätzung, die er anderen Menschen frei von Eitelkeit entgegenbrachte, beeindruckt. Im Jahr 2000 zog ich aus beruflichen Gründen nach Verona um. 2005 kontaktierte er mich, um ein Projekt – die 2007 erfolgte Gründung des Raiffeisen Energieverbands, aus dem nach der Fusion mit dem Biomasseverband Südtirol 2012 der Südtiroler Energieverband hervorgegangen ist – weiterzuführen. Er sagte damals zu mir: „Du warst ja federführend und seitdem du weg warst, haben wir zwar einige Punkte umsetzen können, aber nicht das, was wir eigentlich wollten.“ Typisch Georg: Bescheiden im Auftreten, hartnäckig in der Sache.

Georg Wunderers energiepolitische Position lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: Energie gehört – wie das Trinkwasser – zur Grundversorgung für Menschen und Betriebe und muss daher den Menschen dienen und nicht der Kapitalvermehrung. Als Obmann der E-Werk- Prad-Genossenschaft hat er diesen Standpunkt beispielhaft in die Praxis umgesetzt. Die 1.200 Mitglieder sind nicht nur passive und abhängige Konsumenten, sondern auch an der Führung „ihres“ Betriebs aktiv beteiligt. Diese Haltung erklärt, warum sich Georg Wunderer in Südtirol mit Beharrlichkeit, Besonnenheit und großem Optimismus für eine periphere Energiewirtschaft eingesetzt hat, in der nicht landesfremde Unternehmen oder fremde Landesunternehmen die einzigen Entscheidungsträger sind, sondern die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst.

„Energie, lokal organisiert“ oder „Energie von daheim“– diese Slogans waren bei ihm keine leeren Phrasen, sondern entsprachen seiner tiefsten Überzeugung. Deshalb gehörte Georg Wunderer für mich zu den bedeutendsten
Genossenschaftlern in unserem Land. Und: Er hatte Stil. Er ließ einen gewähren, war nicht anmaßend, aufdringlich oder überheblich und sprach nicht schlecht über andere, was in unserem Land ja eher selten vorkommt. Den Raiffeisen
Energieverband leitete er fünf Jahre lang als Präsident und hat in dieser Zeit kein einziges Mal in meine Arbeit als Direktor eingegriffen. Ein „Leichtgewicht“ war er natürlich nicht: Seine Ziele verlor er – bei aller Zurückhaltung und Höflichkeit – niemals aus den Augen. Dabei stützte der sich auf ein umfassendes energiewirtschaftliches Fachwissen, das ich immer bewundert habe.

„Wer die Vergangenheit nicht versteht, kann die Zukunft nicht gestalten“, hat Helmut Kohl einmal gesagt und dieser Satz könnte auch von Georg Wunderer stammen. Früher als andere hat er verstanden, welches Potential unsere historisch gewachsenen kleinen und mittleren Betriebe gerade im Zeitalter der erneuerbaren Energien haben. Ich habe ihn häufig auf Reisen begleitet, wenn er selbst oder „sein“ E-Werk – wieder einmal – in Rom, Nantes, Dünkirchen oder London ausgezeichnet wurden. Dabei hatten wir viele schöne Momente, denn Georg Wunderer konnte lustig sein – etwa in seinen legendären Weihnachtsgrüßen – gut erzählen und noch viel besser zuhören. Mit ihm konnte man „Pferde stehlen“ – und er war einer der wenigen Menschen, die man anruft, um Freude und Trauer zu teilen. Georg Wunderer ist am 1. Juni 2018 gestorben. Er wurde 69 Jahre alt. Ich habe einen guten Freund verloren. Wir können ihn nicht ersetzen. Wir können uns nur bemühen, in seinem Geist weiterzuarbeiten.




 
 
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