Alternative zu fossilem Strommarktdesign
28.06.2023
Die Strompreise in Italien gehörten auch schon vor dem Krieg in der Ukraine zu den höchsten in Europa. Grund dafür sind hohe Steuern und Umlagen, aber auch der italienische Energiemix — ein beachtlicher Anteil der Primärenergie wird importiert. Da zudem knapp die Hälfte des Stroms in Gaskraftwerken erzeugt wird, gingen die Verbraucher- und Industriepreise für Strom angesichts der Entwicklung bei den Gaspreisen im vergangenen Jahr durch die Decke: Im August kostete die Megawattstunde auf dem Festland im Durchschnitt weit über fünfhundert Euro. Die Strompreiszone Nord, zu der auch Südtirol mit seinen Produktionsanlagen gehört, lag mit einem Preis von 547 Euro an der Spitze. Endverbrauchern wird jeweils ein Durchschnittspreis der sieben Gebotszonen in Rechnung gestellt. Angesichts der in ganz Italien hohen Preise ein schwacher Trost. Mittlerweile sind Gas- und Strompreise zurückgegangen, doch die Episode zeigt: der Markt kann eben nicht alles.
Das zentrale Instrument des marktgetriebenen Energiesystems ist die Strombörse. Dort werden bis auf das Vorzugsrecht der Erneuerbaren in Bezug auf die Einspeisung alle Erzeugungsarten gleichbehandelt - und das in einem hochverzerrten Erzeugungsmarkt, in dem fossile und atomare Stromerzeugung bis heute stark subventioniert werden. Etwa, indem negative Folgen wie Klima- und Gesundheitsschäden der entsprechenden Kraftwerke ebenso wie die Kosten für die Atommüllentsorgung immer noch kaum eingepreist werden müssen. Den erneuerbaren Energien wird indes regelmäßig vorgeworfen, zu teuer zu sein und sogar zu einer Deindustrialisierung der Wirtschaft beizutragen.
Ungeachtet dessen, dass die Stromgestehungskosten bei den Erneuerbaren zuletzt kontinuierlich zurückgegangen sind und die fossile Erzeugung mittlerweile regelmäßig preislich unterbieten, führen die extremen Börsenstrompreise der letzten
Monate das Argument des teuren Ökostroms ad absurdum. Maßgeblich ausgelöst wurden die Preissprünge im Merit-Order-Prinzip der Strombörse nämlich durch die gestiegenen Gaspreise. Durch den Stillstand von fast der Hälfte der französischen
eine Angebotsverknappung auf dem europäischen Strommarkt hinzu. Länder wie Schweden, deren Energieversorgung weitgehend auf Erneuerbaren basiert, sahen deshalb ebenfalls steigende Strompreise. Mit rund 190 Euro pro Megawattstunde lagen diese im Sommer 2022 jedoch weit unter dem italienischen Niveau.
In Südtirol, das sich jahresbilanztechnisch ebenfalls vollständig mit Strom aus Photovoltaik und Wasserkraft versorgen kann und in größerem Umfang Strom exportiert, können wir in der aktuellen Ausgestaltung des italienischen Strommarkts nicht von den günstigen Erneuerbaren profitieren. Dieser ist trotz sieben Gebotszonen auch aufgrund europäischer Vorgaben noch immer zentralistisch und an den Erfordernissen der fossilen Energieerzeugung organisiert. Um dem aufkommenden Frust über diese Situation zu begegnen, muss jetzt ein Umdenken stattfinden. Wir müssen unser Energiesystem nicht nur auf die erneuerbaren Energien umstellen, sondern auch flexibilisieren und regional verankern. Dieser Strukturwandel erfordert neue Geschäftsmodelle, damit auch kleinteilige und dezentrale Anlagen, Speicher oder Anwendungen für die Sektorenkopplung wirtschaftlich tragfähig werden. Die Rahmenbedingungen dafür müssen wir nicht nur in Italien schaffen. Im Rahmen der aktuellen Debatte über das zukünftige Europäische Strommarkt- design sollten wir darauf eine gesamteuropäische Antwort finden.
Rudi Rienzner
Dieser Text erschien als Editorial in der Zeitschrift "Klima und Recht" 6/2023
Das zentrale Instrument des marktgetriebenen Energiesystems ist die Strombörse. Dort werden bis auf das Vorzugsrecht der Erneuerbaren in Bezug auf die Einspeisung alle Erzeugungsarten gleichbehandelt - und das in einem hochverzerrten Erzeugungsmarkt, in dem fossile und atomare Stromerzeugung bis heute stark subventioniert werden. Etwa, indem negative Folgen wie Klima- und Gesundheitsschäden der entsprechenden Kraftwerke ebenso wie die Kosten für die Atommüllentsorgung immer noch kaum eingepreist werden müssen. Den erneuerbaren Energien wird indes regelmäßig vorgeworfen, zu teuer zu sein und sogar zu einer Deindustrialisierung der Wirtschaft beizutragen.
Ungeachtet dessen, dass die Stromgestehungskosten bei den Erneuerbaren zuletzt kontinuierlich zurückgegangen sind und die fossile Erzeugung mittlerweile regelmäßig preislich unterbieten, führen die extremen Börsenstrompreise der letzten
Monate das Argument des teuren Ökostroms ad absurdum. Maßgeblich ausgelöst wurden die Preissprünge im Merit-Order-Prinzip der Strombörse nämlich durch die gestiegenen Gaspreise. Durch den Stillstand von fast der Hälfte der französischen
eine Angebotsverknappung auf dem europäischen Strommarkt hinzu. Länder wie Schweden, deren Energieversorgung weitgehend auf Erneuerbaren basiert, sahen deshalb ebenfalls steigende Strompreise. Mit rund 190 Euro pro Megawattstunde lagen diese im Sommer 2022 jedoch weit unter dem italienischen Niveau.
In Südtirol, das sich jahresbilanztechnisch ebenfalls vollständig mit Strom aus Photovoltaik und Wasserkraft versorgen kann und in größerem Umfang Strom exportiert, können wir in der aktuellen Ausgestaltung des italienischen Strommarkts nicht von den günstigen Erneuerbaren profitieren. Dieser ist trotz sieben Gebotszonen auch aufgrund europäischer Vorgaben noch immer zentralistisch und an den Erfordernissen der fossilen Energieerzeugung organisiert. Um dem aufkommenden Frust über diese Situation zu begegnen, muss jetzt ein Umdenken stattfinden. Wir müssen unser Energiesystem nicht nur auf die erneuerbaren Energien umstellen, sondern auch flexibilisieren und regional verankern. Dieser Strukturwandel erfordert neue Geschäftsmodelle, damit auch kleinteilige und dezentrale Anlagen, Speicher oder Anwendungen für die Sektorenkopplung wirtschaftlich tragfähig werden. Die Rahmenbedingungen dafür müssen wir nicht nur in Italien schaffen. Im Rahmen der aktuellen Debatte über das zukünftige Europäische Strommarkt- design sollten wir darauf eine gesamteuropäische Antwort finden.
Rudi Rienzner
Dieser Text erschien als Editorial in der Zeitschrift "Klima und Recht" 6/2023