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Mauern? Nein danke!

Am Dienstag (2. Mai 2017) wurde in Meisenheim (Deutschland) die Transatlantic Energy Cooperatives Alliance (TECA) gegründet. Initiiert wurde dieser Zusammenschluss von europäischen und US-amerikanischen Energiegenossenschaften
von der Rappahannock Electric Cooperative REC), die im US-Bundesstaat Virginia 161.000 Kunden mit Strom versorgt, und vom Südtiroler Energieverband.

„Nur wer über die eigenen Grenzen schaut, kann Neues erfahren und bewahrt sich die Fernsicht in die Zukunft. Wir können viel voneinander lernen und uns gegenseitig unterstützen – auch wenn sich das Genossenschaftswesen diesseits und jenseits des Atlantiks historisch unterschiedlich entwickelt hat“, sagt SEV-Direktor Rudi Rienzner, der in Meisenheim gemeinsam mit Kent Farmer (Präsident und CEO REC) die Gründungsurkunde unterzeichnete. Rienzner und Farmer übernehmen gemeinsam die Präsidentschaft des neuen transatlantischen Genossenschaftsverbunds. Die TECA positioniert sich – ganz bewusst – gegen einen Trend, der auf Abschottung und Ausgrenzung setzt. Rudi Rienzner: „Wir wollen keine Mauern, sondern Kooperation und genau das ist auch ein Wesenszug des Genossenschaftsmodells“.

Die TECA soll in den kommenden Jahren zu einer breiten Plattform des transatlantischen Erfahrungsaustauschs ausgebaut werden. Dabei will man – in Europa und in den USA – Rahmenbedingungen schaffen, um die Arbeit von Energiegenossenschaften zu erleichtern. Möglich ist auch eine Dienstleistungsstruktur, die auf beiden Kontinenten aktiv werden könnte.

Schon im April 2016 hatten sich Genossenschaftsvertreter aus Europa und den USA auf einer Energiekonferenz in Washington (DC) und anschließend beim zweiten US-EU Cooperatives Exchange in Fredericksburg (Virginia, USA) getroffen. Der SEV war auf diesen Tagungen mit seinem Direktor Rudi Rienzner vertreten. Auf beiden Veranstaltungen äußerten amerikanische und europäische Genossenschaftsvertreter den großen Wunsch nach einer intensiveren transatlantischen Zusammenarbeit. So waren die europäischen Vertreter von der Bedeutung genossenschaftlicher Energieversorger in den USA beeindruckt. Hervorzuheben ist dabei der 1969 gegründete Finanzdienstleister CFC (National Rural Utilities Cooperative Finance Corporation), der für die Mitgliedsgenossenschaften am Kapitelmarkt aktiv ist. Auf der anderen Seite bewunderten die Amerikaner das in Europa entwickelte technische Know-how.

Übrigens: Zwischen der Energiegeschichte in den USA und in Südtirol gibt es überraschende Parallelen. Zwischen Brenner und Salurn entstanden in den zwanziger Jahren die ersten Energiegenossenschaften und Beispiele wie Prad oder Vilnöss zeigen, dass Bauern, Handwerker, Unternehmer und Hoteliers die Stromversorgung in ihren Tälern damals in Eigenregie sicherstellten. In den USA geschah zehn Jahre später Ähnliches, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. Noch 1934 waren weniger als elf Prozent aller US-amerikanischen Farmen mit Strom versorgt. Im Rahmen des New Deal gründete
die US-Bundesregierung 1935 daher die Bundesagentur Rural Electrification Administration (REA). Deren Auftrag war es, den ländlichen Raum – ganz nach dem Raiffeisenmotto „Hilfe zur Selbsthilfe“ – mit Strom zu versorgen.

Der Staat verzichtete also auf die Bildung eines zentral gesteuerten Stromkonzerns und setzte auf eine dezentrale Entwicklung. REA vergab gemäß dem Rural Electrification Act von 1936 günstige Kredite, die zur Bildung von zahlreichen Stadtwerken und Genossenschaften führten. Die Folge: 1942 verfügten bereits 50 Prozent aller Farmen über einen eigenen Stromanschluss. Heute gehören dem US-Dachverband America’s Cooperative Electric Utilities 900 Genossenschaften an, die 42 Millionen Kunden mit Energie versorgen.
 




 
 
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