Unsere Mitglieder: Die E-Genossenschaft Pflersch
27.09.2022
Perspektiven für eine nachhaltige und lokale Stromproduktion am Beispiel der E-Genossenschaft Pflersch. Ein Interview mit dem Geschäftsführer Franz Schwitzer.
Anfang der 1920er Jahre beschließen Hofbesitzer im Weiler Boden ein E-Werk zu bauen, 1923 gehen dort zum ersten Mal die elektrischen Lichter an. Was waren die Gründe für diesen mutigen Schritt und warum setzte die Elektrifizierung in Pflersch erst so spät ein? In Gossensass wurde die erste elektrische Beleuchtungsanlage schon 1896 errichtet.
Franz Schwitzer: In der K&K Monarchie war Gossensass ein Kurort mit großen Hotels. Der vorwiegend städtischen Klientel von damals wollte und musste man auch diverse Annehmlichkeiten bieten und so wurde durch die Hoteliersfamilie Gröbner schon zu einer sehr frühen Zeit diese Innovation nach Gossensass gebracht. Ludwig Gröbner errichtete in Gossensass ein Grand Hotel für den Nobeltourismus und baute um 1886 in der sogenannten "Wielandschmiede" (heute Billinghaus) ein eigenes Elektrizitätswerk. Es ging als eines der ersten Kraftwerke Südtirols nur wenige Stunden vor dem Kraftwerk der Rössler Mühle in Bozen in Betrieb. Pflersch war damals von nur wenigen Landwirten besiedelt und es dauerte entsprechend noch einige Jahre bis die Notwendigkeit für elektrische Energie bestand.
Welche Vorteile bieten eine lokale Stromproduktion und Stromverteilung heute für die Dorfgemeinschaft und für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Pflersch?
Die lokale Stromproduktion hat im Prinzip drei große Vorteile. Erstens: Hohe Versorgungssicherheit – wir können einen Großteil des Jahres den Stromverbrauch der Mitglieder decken und bei Bedarf das Netz im Inselbetrieb fahren. Zweitens: Unbürokratisch, schnell und zu einem äußerst günstigen Preis sämtliche Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Strom- und Glasfaserversorgung zu erhalten. Drittens: Die Wertschöpfung bleibt dem Tal erhalten, da die Gewinne in den Ausbau der Infrastruktur, der Dienstleistungen und in die Förderung der Vereine im Tal reinvestiert werden.
In Zukunft wird es in Italien nur noch einen „freien“ Strommarkt geben, auf dem sich die Kunden für einen lokalen, regionalen oder gesamtstaatlichen Verteilerbetrieb entscheiden müssen. Kann die Elektrizitätsgenossenschaft Pflersch in diesem Wettbewerb bestehen?
Die Elektrizitätsgenossenschaft Pflersch hat in diesem Wettbewerb schon die letzten Jahre sehr gut bestanden und verfügt über die besten Voraussetzungen um das auch weiterhin tun zu können. Die solide Arbeit des Verwaltungsrates und die strategisch sinnvollen Investitionen in Infrastruktur, Verteilernetz und Produktionsanlagen, in den Ausbau des Glasfasernetzes aber auch die hervorragende Zusammenarbeit mit Dienstleistern wie dem Südtiroler Energieverband verschaffen der Genossenschaft in diesen Zusammenhang eine sehr gute Ausgangsposition.
Auf dem Strommarkt spielt der Preis eine wichtige Rolle. Sind Bürgernähe und Bodenständigkeit Faktoren, die bei der Wahl des Stromversorgers eine Rolle spielen?
Ein jeder Markteilnehmer ist sich natürlich gerade in Zeiten hoher Inflation bewusst, dass der Preis eine primäre Rolle spielt. Jedoch kann man gerade bei unseren Mitgliedern auch oft eine große Dankbarkeit wahrnehmen, wenn gewisse Dienstleistungen oder Hilfestellungen jeglicher Art unbürokratisch und lokal abgewickelt werden können. Dies hat bei einer Genossenschaft mit Sicherheit auch einen großen Stellenwert für die Kunden.
Sie betreiben heute vier Wasserkraftwerke. Ist der dort erzeugte Strom für die Versorgung des Tals ausreichend – und wäre eine weitere Ausweitung der Produktion möglich?
Wir produzieren im gesamten Jahresverlauf wesentlich mehr Energie als gebraucht wird. Jedoch sind die Wintermonate bekanntlich für Wasserkraftwerke keine gute Ertragszeit. In diesen Monaten müssen wir teilweise Strom zukaufen. Eine Ausweitung der Produktion wäre sicherlich sinnvoll. Leider wurde in diesem Zusammenhang ein geplanter Windpark vor einigen Jahren abgelehnt. Derzeit bauen wir ein Wasserkraftwerk und interessieren uns ständig für neue Möglichkeiten zum Ausbau der Produktionsanlagen. Leider haben die Genehmigungsverfahren für Produktionsanlagen jeglicher Art ein untragbares Ausmaß angenommen. Dies muss sich meiner Meinung nach vor allem für die erneuerbaren Energien ändern, wenn man der aktuellen Energiekrise Herr werden will.
Der Klimawandel ist ein zentrales Thema unserer Zeit. Ist die dezentrale Nahversorgung mit „grüner“ Energie – auch in Südtirol – ein Modell für eine nachhaltige Klimapolitik?
Dies kann mit Sicherheit ein Baustein sein, um die Nachhaltigkeit der Energieproduktion und der Verteilung zu erhöhen und mancherorts sehr sinnvoll sein. Ob es ein großflächiges Modell sein könnte, bin ich mir nicht sicher, da es dafür noch einiges mehr braucht, wie eben starke Vereinfachung der Genehmigungen von Produktionsanlagen erneuerbarer Energien. Hier sollte meiner Meinung nach auch der Umweltschutz etwas in den Hintergrund treten, um die „höheren Ziele“ wie eben Nachhaltigkeit und Klimawandelstopp erreichen zu können. In der jetzigen Energiekrise sollte nun wohl auch dem Letzten bewusst geworden sein, dass der Strom eben nicht aus der Steckdose kommt, sondern eben irgendwoproduziert werden muss.
Sprechen wir über technische Innovationen und die Entwicklung neuer Angebote. Welche Perspektiven für die Zukunft gibt es in diesen Bereichen für ihren Betrieb?
Da wir Stromverteiler sind, unterliegen wir den Vorgaben der Regulierungsbehörde. Hier ist man als kleiner Verteiler an sich schon immer wieder sehr gefordert, um den gesetzlichen Vorschriften gerecht zu werden. In diesem Rahmen bewegend haben wir schon einiges realisiert wie ein modernes Netzleitsystem mit Ringleitung um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Auch der Glasfaserausbau bis hin zu Almen auf 2.000 Höhenmeter ist hier sicherlich hervorzuheben. Zudem gibt es Überlegungen noch mehr in Infrastrukturen und gemeinnützige Zwecke im Tal zu investieren, um dem Tal und der Bevölkerung die hier erwirtschafteten Erträge noch mehr zugutekommen zu lassen. Übergeordnetes Ziel ist es mit Sicherheit, die Genossenschaft als Infrastruktur-, Dienstleistungs- und Sozialeckpunkt im Tal weiter zu etablieren und ihren Fortbestand langfristig zu sichern.
Anfang der 1920er Jahre beschließen Hofbesitzer im Weiler Boden ein E-Werk zu bauen, 1923 gehen dort zum ersten Mal die elektrischen Lichter an. Was waren die Gründe für diesen mutigen Schritt und warum setzte die Elektrifizierung in Pflersch erst so spät ein? In Gossensass wurde die erste elektrische Beleuchtungsanlage schon 1896 errichtet.
Franz Schwitzer: In der K&K Monarchie war Gossensass ein Kurort mit großen Hotels. Der vorwiegend städtischen Klientel von damals wollte und musste man auch diverse Annehmlichkeiten bieten und so wurde durch die Hoteliersfamilie Gröbner schon zu einer sehr frühen Zeit diese Innovation nach Gossensass gebracht. Ludwig Gröbner errichtete in Gossensass ein Grand Hotel für den Nobeltourismus und baute um 1886 in der sogenannten "Wielandschmiede" (heute Billinghaus) ein eigenes Elektrizitätswerk. Es ging als eines der ersten Kraftwerke Südtirols nur wenige Stunden vor dem Kraftwerk der Rössler Mühle in Bozen in Betrieb. Pflersch war damals von nur wenigen Landwirten besiedelt und es dauerte entsprechend noch einige Jahre bis die Notwendigkeit für elektrische Energie bestand.
Welche Vorteile bieten eine lokale Stromproduktion und Stromverteilung heute für die Dorfgemeinschaft und für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Pflersch?
Die lokale Stromproduktion hat im Prinzip drei große Vorteile. Erstens: Hohe Versorgungssicherheit – wir können einen Großteil des Jahres den Stromverbrauch der Mitglieder decken und bei Bedarf das Netz im Inselbetrieb fahren. Zweitens: Unbürokratisch, schnell und zu einem äußerst günstigen Preis sämtliche Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Strom- und Glasfaserversorgung zu erhalten. Drittens: Die Wertschöpfung bleibt dem Tal erhalten, da die Gewinne in den Ausbau der Infrastruktur, der Dienstleistungen und in die Förderung der Vereine im Tal reinvestiert werden.
In Zukunft wird es in Italien nur noch einen „freien“ Strommarkt geben, auf dem sich die Kunden für einen lokalen, regionalen oder gesamtstaatlichen Verteilerbetrieb entscheiden müssen. Kann die Elektrizitätsgenossenschaft Pflersch in diesem Wettbewerb bestehen?
Die Elektrizitätsgenossenschaft Pflersch hat in diesem Wettbewerb schon die letzten Jahre sehr gut bestanden und verfügt über die besten Voraussetzungen um das auch weiterhin tun zu können. Die solide Arbeit des Verwaltungsrates und die strategisch sinnvollen Investitionen in Infrastruktur, Verteilernetz und Produktionsanlagen, in den Ausbau des Glasfasernetzes aber auch die hervorragende Zusammenarbeit mit Dienstleistern wie dem Südtiroler Energieverband verschaffen der Genossenschaft in diesen Zusammenhang eine sehr gute Ausgangsposition.
Auf dem Strommarkt spielt der Preis eine wichtige Rolle. Sind Bürgernähe und Bodenständigkeit Faktoren, die bei der Wahl des Stromversorgers eine Rolle spielen?
Ein jeder Markteilnehmer ist sich natürlich gerade in Zeiten hoher Inflation bewusst, dass der Preis eine primäre Rolle spielt. Jedoch kann man gerade bei unseren Mitgliedern auch oft eine große Dankbarkeit wahrnehmen, wenn gewisse Dienstleistungen oder Hilfestellungen jeglicher Art unbürokratisch und lokal abgewickelt werden können. Dies hat bei einer Genossenschaft mit Sicherheit auch einen großen Stellenwert für die Kunden.
Sie betreiben heute vier Wasserkraftwerke. Ist der dort erzeugte Strom für die Versorgung des Tals ausreichend – und wäre eine weitere Ausweitung der Produktion möglich?
Wir produzieren im gesamten Jahresverlauf wesentlich mehr Energie als gebraucht wird. Jedoch sind die Wintermonate bekanntlich für Wasserkraftwerke keine gute Ertragszeit. In diesen Monaten müssen wir teilweise Strom zukaufen. Eine Ausweitung der Produktion wäre sicherlich sinnvoll. Leider wurde in diesem Zusammenhang ein geplanter Windpark vor einigen Jahren abgelehnt. Derzeit bauen wir ein Wasserkraftwerk und interessieren uns ständig für neue Möglichkeiten zum Ausbau der Produktionsanlagen. Leider haben die Genehmigungsverfahren für Produktionsanlagen jeglicher Art ein untragbares Ausmaß angenommen. Dies muss sich meiner Meinung nach vor allem für die erneuerbaren Energien ändern, wenn man der aktuellen Energiekrise Herr werden will.
Der Klimawandel ist ein zentrales Thema unserer Zeit. Ist die dezentrale Nahversorgung mit „grüner“ Energie – auch in Südtirol – ein Modell für eine nachhaltige Klimapolitik?
Dies kann mit Sicherheit ein Baustein sein, um die Nachhaltigkeit der Energieproduktion und der Verteilung zu erhöhen und mancherorts sehr sinnvoll sein. Ob es ein großflächiges Modell sein könnte, bin ich mir nicht sicher, da es dafür noch einiges mehr braucht, wie eben starke Vereinfachung der Genehmigungen von Produktionsanlagen erneuerbarer Energien. Hier sollte meiner Meinung nach auch der Umweltschutz etwas in den Hintergrund treten, um die „höheren Ziele“ wie eben Nachhaltigkeit und Klimawandelstopp erreichen zu können. In der jetzigen Energiekrise sollte nun wohl auch dem Letzten bewusst geworden sein, dass der Strom eben nicht aus der Steckdose kommt, sondern eben irgendwoproduziert werden muss.
Sprechen wir über technische Innovationen und die Entwicklung neuer Angebote. Welche Perspektiven für die Zukunft gibt es in diesen Bereichen für ihren Betrieb?
Da wir Stromverteiler sind, unterliegen wir den Vorgaben der Regulierungsbehörde. Hier ist man als kleiner Verteiler an sich schon immer wieder sehr gefordert, um den gesetzlichen Vorschriften gerecht zu werden. In diesem Rahmen bewegend haben wir schon einiges realisiert wie ein modernes Netzleitsystem mit Ringleitung um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Auch der Glasfaserausbau bis hin zu Almen auf 2.000 Höhenmeter ist hier sicherlich hervorzuheben. Zudem gibt es Überlegungen noch mehr in Infrastrukturen und gemeinnützige Zwecke im Tal zu investieren, um dem Tal und der Bevölkerung die hier erwirtschafteten Erträge noch mehr zugutekommen zu lassen. Übergeordnetes Ziel ist es mit Sicherheit, die Genossenschaft als Infrastruktur-, Dienstleistungs- und Sozialeckpunkt im Tal weiter zu etablieren und ihren Fortbestand langfristig zu sichern.