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Stromrebellen: Die EWS Schönau

16.06.2023
Am 26. April 1986 um 01.23 Uhr – also vor genau 35 Jahren – explodiert der Reaktorblock 4 im Kernkraftwerk Tschernobyl. Die in die Erdatmosphäre gelangten radioaktiven Stoffe kontaminieren als Folge der Windverfrachtung viele europäische Länder und in einem besonders hohen Ausmaß den Alpenraum. 1987 sprechen sich in Italien – als Reaktion auf diesen Störfall – 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler in drei Volksabstimmungen gegen die Kernenergie aus. Eine Katastrophe wird zum Weckruf: In Belgien und Deutschland entstehen erfolgreiche Bürgerenergieprojekte, der frühere gesellschaftliche Konsens zugunsten der Kernenergie wird von vielen Menschen – nicht nur in Italien – aufgekündigt. 

Zu diesen Gegenentwürfen gehört auch die genossenschaftlich geführten Elektrizitätswerke Schönau. Die EWS entstanden im Frühsommer 1986 aus einer Bürgerinitiative in Schönau im Schwarzwald (Deutschland). Nur wenige Wochen nach der Reaktorkatastrophe beschließen diese „Stromrebellen“, das lokale Verteilernetz zu übernehmen, um selbst zu entscheiden, woher ihr Strom kommt. 1994 werden die Elektrizitätswerke Schönau gegründet und organisieren – nach einem positiven Votum des Stadtrats und einer Volksabstimmung – die lokale Stromversorgungmit erneuerbarer Energie.

Zuvor muss dem früheren Verteiler KWR allerdings das Stromnetz abgekauft werden. KWR verlangt 8,7 Millionen DM, vier Millionen DM werden über Spenden finanziert. Die EWS kontaktieren die größten deutschen PR-Agenturen und fordern diese auf, kostenlos eine Kampagne zu entwickeln. Und tatsächlich sagen mehrere Agenturen zu. Den Zuschlag erhält die legendäre „Störfall-Kampagne“, die in Westdeutschland in allen Medien gestartet wird. Die „Stromrebellen“ erleben Unglaubliches: Umweltschutzverbände rufen zu Spenden auf, Zeitungen sponsern Anzeigen, bei Privatfeiern wird zugunsten von Spenden auf Geschenke verzichtet. So dauert es nur wenige Monate, um das Geld zu sammeln. 

1998 wird der Strommarkt in Deutschland liberalisiert. Nun kann jeder Stromkunde selbst entscheiden, woher er seinen Strom bezieht. Die EWS bieten ihren Ökostrom sofort bundesweit an. Heute beliefern die von einer Genossenschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern kontrollierten Elektrizitätswerke Schönau 200.000 Haushalte und Businesskunden in Deutschland mit „grünem“ Strom aus erneuerbaren Energien, der überwiegend in Wasserkraftwerken und Windparks in Skandinavien, Deutschland und Österreich produziert wird. Die EWS sehen es als eine ihrer Hauptaufgaben an, „die Teilhabe von Menschen an Energieverteilung und Produktion voranzubringen, nicht nur in Schönau – sondern überall!“.
 
 
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