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KI: Atomstrom für Tech-Konzerne

25.10.2024
Die Generierung eines Bild mit Künstlicher Intelligenz dauert auf dem Computer nur wenige Sekunden. Mit der gleichen Menge an Strom, die dabei verbraucht wird, ließe sich der Akku eines Smartphones einmal zur Hälfte aufladen. Die KI hat Energiehunger – und die US-amerikanischen Tech-Konzerne setzen auf neue Atomkraftwerke, um den Appetit zu stillen.

Der Internetkonzern Google will in Zukunft Kernenergie aus Small Modular Reactors (SMR) kaufen – kleinen und modular strukturierten Reaktoren, die ab 2030 in Betrieb gehen sollen. Ähnlich wie Fertighäuser werden SMR in Fabriken vormontiert und sollen aufgrund dieser Bauweise deutlich billiger herzustellen sein als konventionelle Atomkraftwerke. Allerdings ist noch kein einziger SMR in Betrieb. Das US-amerikanische Unternehmen Firma NuScale hatte ein bereits genehmigtes Pilotprojekt im vergangenen Jahr – unter anderem wegen der stark gestiegener Kosten – aufgegeben. 

Das Energieunternehmen Kairos Power und Google haben eine Rahmenvereinbarung zur Entwicklung von mehreren SMR-Kraftwerken mit einer Gesamtleistung von 500 MW unterzeichnet. Demnach wird Kairos Power die neuen Atomkraftwerke entwickeln, bauen und betreiben. Die dort erzeugte Energie wird dann an Google verkauft. Kairos Power wurde 2016 gegründet und wird bis 2027 eine erste SMR-Versuchsanlage im US-Bundesstaat Tennesee errichten.  Der Softwarekonzert Microsoft will wiederum einen stillgelegten Reaktorblock des Atomkraftwerks „Three Mile Island” – dem Schauplatz des bislang schwersten nuklearen Unfalls in USA – reaktivieren. Der Inhaber der Anlage Constellation Energy wird Microsoft ab 2028 mit Strom aus der Anlage im US-Bundesstaat Pennsylvania versorgen. 

Die Cloud-Computing-Sparte des Onlinehändlers Amazon (Amazon Web Services, AWS) erwarb im März 2024 ein Rechenzentrum, das neben einem Kernkraftwerk liegt und von dort mit elektrischer Energie versorgt wird. Gleichzeitig kündigte Amazon hohe Investitionen in die Entwicklung modularer Reaktoren an. Der Konzern finanziert in mehreren US-Bundesstaaten Machbarkeitsstudien für den Bau von SMR-Anlagen, beteiligt sich an einer SMR-Entwicklungsfirma – und erhält im Gegenzug das Recht, aus den neuen Kraftwerksmodulen Strom zu beziehen. Der Softwarekonzern Oracle will eines seiner Rechenzentren mit drei SMR-Reaktoren betreiben und auch Open AI (ChatGPT) investiert inzwischen in die Nukeartechnologie. Laut einem Bericht des „Wallstreet Journal“ verhandelt ein Drittel der US-Kernkraftwerke derzeit mit Tech-Unternehmen über Stromlieferungen für KI-Rechenzentren.

Warum braucht künstliche Intelligenz so viel Strom? Die Antwort ist einfach: Die Entwicklung und der Betrieb von KI-Systemen erfordern gewaltige Computerleistung in Rechenzentren, und dazu ist viel Energie notwendig. Alle KI-Anfragen werden von einer physischen Hardware bearbeitet. KI-Modelle, die komplexer werden, sind daher auf eine immer leistungsfähigere Hardware angewiesen. Sprachmodelle wie GPT-4, Claude 3 oder Llama 3 werden mit Daten trainiert. Mit jeder neuen Version wächst die Anzahl der Trainingsdaten: Während GPT-2 noch eine Größe von 1,5 Milliarden Parametern aufweist, ist GPT-3 mit 175 Milliarden Parametern um ein Vielfaches größer und leistungsfähiger. Der Umfang von GPT-4 wird auf 1,5 Billionen Parameter geschätzt, während GPT-5 diesen Wert wohl noch mal deutlich übersteigen wird.

Eine zentrale Hardwarekomponente für KI-Systeme ist der Grafikprozessor GPU und ein einzelnes KI-Modell kann heute mehrere GPUs erfordern. Die GPU-Einheiten befinden sich oft in Servern, die in Rechenzentren stehen, die sich in verschiedenen Regionen der Welt befinden und über das Internet verbunden sind. Zirka 40 bis 50 Prozent der von einem Rechenzentrum verbrauchten elektrischer Energie werden von der Hardware genutzt und weitere 30 bis 40 Prozent für die Kühlung der Rechner. Laut einer aktuellen Schätzung beträgt der Energieverbrauch für eine ChatGPT-Anfrage das 6- bis 10-fache einer traditionellen Websuche. Schon heute verbraucht die KI zirka 10 bis 20 Prozent des in die Rechenzentren geleiteten Stroms. Weil die neue Generationen von KI-fähigen Servern noch mehr Strom verbrauchen, wird dieser Prozentsatz in den kommenden Jahren um zirka 70 Prozent ansteigen und sich bis 2030 sogar verdoppeln.

Derzeit entfallen in den USA zwei bis drei Prozent des Stromverbrauchs auf Rechenzentren – und diese Zahl wird sich in den kommenden fünf Jahren verdreifachen. Der kombinierte Energieverbrauch der wichtigsten Technologieunternehmen, die KI-Cloud-Computing-Dienste und weitere KI-Produkte anbieten wie Google, Microsoft, Meta und Amazon, hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt und diese Unternehmen gehören zu den größten Abnehmern von erneuerbarer Energie für Unternehmen in den USA. Viele Tech-Konzerne haben sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt – und sind nun offenbar davon überzeugt, dass sie in ihrem “grünen“ Energiemix ohne die Nuklearenergie nicht mehr  auskommen.
 
 
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