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Der große Blackout

06.05.2025
Am 28. April kam es auf der iberischen Halbinsel zu einem mehrere Stunden andauernden großflächigen Stromausfall. Um 12.33 Uhr brach die Stromerzeugung nach zwei im Abstand von eineinhalb Sekunden aufeinanderfolgenden “Ereignissen” zusammen. Die Netzfrequenz sank daraufhin weit unter die in Europa üblichen 50 Hertz. Der Leistungseinbruch im spanischen Stromnetz betrug 15 Gigawatt (GW) – zu diesem Zeitpunkt immerhin 60 Prozent des landesweiten Verbrauchs. Die Stabilität der Netzfrequenz besteht, wenn Verbrauch und Produktion im Gleichgewicht sind. Wenn die Frequenz von der 50-Hertz-Marke abweicht, greift eine Primärregelung ein. Automatisch gesteuerte Kraftwerke oder Batteriespeicher erhöhen oder senken dann ihre Leistung, um die Frequenz zu stabilisieren. In Spanien versagten diese Sicherungssysteme, die gewöhnlich nur auf einen Leistungsabfall von bis zu drei GW ausgelegt sind. Auch Frankreich und Marokko konnten nicht genug Strom liefern, um den enormen Produktionsausfall auszugleichen. In einem Domino-Effekt haben sich dann Umspannwerke, Hochspannungstrassen und Kraftwerke automatisch abgeschaltet, um Schäden an der Infrastruktur und bei den Endverbrauchern zu vermeiden.

Kurz vor dem Blackout lieferten Wind und Sonne etwa 70 Prozent des iberischen Stroms. Das ist relevant für die Netzstabilität, weil Generatoren in Wasser-, Kern- oder Gaskraftwerken direkt mit dem Übertragungsnetz gekoppelt sind und es durch ihre Schwungmasse stabilisieren. Wind- und Photovoltaikanlagen sind dagegen über Wechselrichter mit dem Netz verbunden. Moderne Wechselrichter tragen zur zwar ebenfalls zur Netzstabilisierung bei - deren Einführung kommt aber nur langsam voran. Laut den Angaben des Netzbetreibers Red Eléctrica de España könnte ein technisches Problem am Leitungsnetz – konkret an der Hochspannungsleitung zwischen der spanischen Region Katalonien und dem französischen Département Pyrénées-Orientales – den Blackout ausgelöst haben. Die Unterbrechnung des Stromimports habe demnach zu unkontrollierten Schwankungen der Netzfrequenz und zur Abkoppelung der iberischen Halbinsel vom europäischen Stromnetz geführt.

Manche Fachleute vermuten sogar ein Stabilitätsproblem im europäischen Stromnetz, das von Portugal bis in die Türkei reicht. Am 28. April traten ungewollte Leistungspendelungen oder Inter-Area-Oscillations in den Netzgebieten auf der iberischen Halbinsel, in Deutschland und im Baltikum auf. Übrigens: An diesem Tag lieferten in Spanien erneuerbare Energieträger um 17 Uhr wieder 90 Prozent des nachgefragten Stroms. Die aufgrund des Stromausfalls in den Notkühlmodus geschalteten Atomkraftwerke konnten ihre Strompoduktion erst viel später – mitunter erst am nächsten Tag – wieder aufnehmen.

Sicher ist: Eine wesentliche Schwachstelle ist die mangelhafte Verkoppelung der iberischen Halbinsel mit dem europäischen Verbundnetz. So verfügen grenzüberschreitende Stromleitungen zwischen Frankreich und seinen Nachbarländern Deutschland, Belgien, Italien und der Schweiz über eine Kapazität von 15.500 Megawatt (MW). Die Verbindungsleitung zwischen Frankreich und Spanien hat dagegen nur eine Kapazität von 2.800 MW – das entspricht etwa der Leistung von zwei Atomkraftwerken. Zudem verfügt Spanien mit 60 MW über geringe Batteriespeicherkapazitäten (Italien: 10.000 MW) – und nur ein Teil der spanischen Pumpspeicherwerke (1,4 GW von 3,3 GW) waren am 28. April operativ verfügbar.

2024 deckten erneuerbare Energieträger 56 Prozent des spanischen Strombedarfs. Solar- und Windenergie wurden in den vergangen Jahren stark ausgebaut, ohne das der nationale Netzverbund allerdings an die wetterabhängige Einspeisung von großen Mengen elektrischer Energie angepasst worden wäre. Deshalb muss die Ökostromproduktion auch schon mal gedrosselt oder ganz abgeschaltet werden. Laut dem unabhängigen britischen Beratungsunternehmen Aurora Energy wurden 2024 in Spanien 1,7 Terawattstunden an erneuerbarer Energie „abgeregelt“, um das Netz zu schützen. Das hätte gereicht, um 600.000 Haushalte ein ganzes Jahr lang zu versorgen – oder andere Länder mit billigem Ökostrom zu beliefern.



 
 
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