Der Faktenchek: Energiegemeinschaften
28.02.2023
Verbraucherinnen und Verbraucher elektrischer Energie schließen sich zusammen und produzieren ihren eigenen Strom. Werden die – lokalen und dezentralen – Energiegemeinschaften zum Schlüsselelement einer klimafreundlichen Energieversorgung – und wie sehen die neuen Strukturen des kollektiven Eigenverbrauchs und der Energiegemeinschaften aus? Ein Überblick über die geltenden Bestimmungen.
2019 hat die Europäische Union ihr energiepolitisches Regelwerk aktualisiert, um eine nachhaltige Energiewende zu ermöglichen. Die wichtigsten Dokumente dieses Clean Energy Package for all Europeans (CEP) sind die Renewable Energy Directive (RED II) über die Förderung und den Ausbau erneuerbarer Energie und die Electricity Market Directice (EMD) über die Gestaltung des Energie-Binnenmarkts. Beide Richtlinien formulieren Rahmenbedingungen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften und Bürger-Energiegemeinschaften. Im Artikel 22 der RED II heißt es: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass sich Endkunden und insbesondere Haushalte, unter Beibehaltung ihrer Rechte oder Pflichten als Endkunden, an einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft beteiligen dürfen, ohne ungerechtfertigten oder diskriminierenden Bedingungen oder Verfahren unterworfen zu sein“.Die Umsetzung dieser wegweisenden Richtlinie begann in Italien bereits im März 2020. Die italienische Regierung geht heute davon aus, dass in den kommenden Jahren italienweit 15.000 bis 20.000 Energiegemeinschaften entstehen. Ende Dezember hat die staatliche Regulierungsbehörde ARERA in einem wegweisenden Beschluss die komplexen Strukturen des kollektiven und individuellen Eigenverbrauchs und der Energiegemeinschaften definiert. Der neue Einheitstext wird gleichzeitig mit dem Ministerialdekret über die Förderung des „erweiterten Eigenverbrauchs“ in Kraft treten. Ein abschließender Entwurf dieses Dekrets wurde in der vergangenen Woche der EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt – das komplexe europäische Prüfungsverfahren könnte allerdings noch mehrere Monate in Anspruch nehmen.
Im Bereich der erneuerbaren Energien unterschiedet die ARERA zwei Varianten des kollektiven Eigenverbrauchs:
- Gemeinsam handelnde Eigenverbraucher (Anschlusspunkte im gleichen Gebäude, keine Rechtspersönlichkeit).
- Energiegemeinschaften (Anschlusspunkte an mehreren Standorten in der italienischen Marktzone Nord = Aostatal, Piemont, Ligurien, Lombardei, Trentino-Südtirol, Veneto, Friaul-Julisch-Venezien, Emilia Romagna, eigene Rechtspersönlichkeit wie Verein oder Genossenschaft).
Achtung: Ein Förderungstarif für den selbst verbrauchten Strom, Kapitalbeiträge aus den italienischen PNRR-Fonds und eine teilweise Rückerstattung von Netzgebühren werden nur gewährt, wenn die Leistung der Erzeugungsanlage den Grenzwert von einem Megawatt nicht übersteigt und wenn sich alle Anschlusspunkte der Energiegemeinschaft im Versorgungsgebiet einer Primärkabine (Umspannwerk) befinden. Im Durchschnitt sind diese Verteiler-Zonen mehrere Quadratkilometer groß. Der Netzbetreiber Edyna verfügt in Südtirol über 38 Primärkabinen.
Der Hauptzweck von Energiegemeinschaften ist nicht die Generierung individueller Gewinne aus dem Stromgeschäft, sondern vor allem die Erreichung ökologischer, sozialer und gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele. An einer Energiegemeinschaft können sich – unter anderen – Verbraucherinnen und Verbraucher, Unternehmen (wenn die Beteiligung an der Energiegemeinschaft nicht deren Haupttätigkeit darstellt) und öffentliche Körperschaften wie die Gemeinden beteiligen. Dabei gilt:
- Jedes Mitglied der Energiegemeinschaft verbraucht weiterhin Energie aus dem öffentlichen Stromnetz.
- Der Stromlieferant stellt weiterhin die Stromrechnung aus.
- Es ist weiterhin jederzeit möglich, den Stromlieferanten zu wechseln.
- Die Produktionsanlage der Energiegemeinschaft speist den Strom in das öffentliche Netz ein.
- Der Eigenverbrauch erfolgt ausschließlich „virtuell“.
- Der in der Netz eingespeiste Überschuss-Strom wird mit dem Marktpreis vergütet.
Durch die direkte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern oder Betrieben produzieren und verbrauchen Energiegemeinschaften „grüne“ Energie aus erneuerbaren Quellen und beteiligen sich an der Energiewende und einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung. Der SEV berät und unterstützt die Realisierung von Energiegemeinschaften und anderen gesetzlich vorgesehenen Formen des Eigenverbrauchs durch:
- Machbarkeitsstudien
- Durchführbarkeitanalysen
- Die Erstellung eines Statuts und die formale Gründung
- Die Installation der Anlage
- Anmeldung und Förderung
- Die Verwaltung der Anlage